Sowohl Gegner als auch Befürworter
LAUTERBACH - Das Thema Umgehungsstraße beschäftigt die Bürger von Lauterbach und Wartenberg teilweise schon seit Jahrzehnten. So war es nicht verwunderlich, dass sich beim LA-Forum zur Umgehungsstraße zahlreiche Zuschauer zu Wort meldeten - sowohl Gegner als auch Befürworter.
Foto | Ed Erbeck
Hans Bäuscher aus Landenhausen ist Sprecher des Bürger Bündnisses Lebenswertes Wartenberg. Er dankte Stadtplaner Hartmut Kind für dessen Vortrag: "Ich denke, was Sie ausgeführt haben, trifft den Kern der Problematik, man muss ganzheitlich denken und alle Aspekte betrachten." In Richtung von Wartenbergs Bürgermeister Dr. Olaf Dahlmann betonte er, dass das Bürger Bündnis sicher keinen Unfrieden in die Gemeinde bringen wolle. "Wir versuchen, seit neun Monaten zu einem Konsens zu kommen. Aber wie sollen die Bürger motiviert bleiben, weiter mit den Gemeindegremien zusammenzuarbeiten?" Dahlmann erklärte daraufhin, dass zu Beginn des Jahres ein gemeinsamer Termin stattgefunden habe und er auch nicht gesagt habe, dass die Bürgerinitiative die Gemeinde spalte, sondern generell die Frage nach der Umgehung. "Ich habe unser Treffen so verstanden, dass wir in Kontakt bleiben, denn ich setze auf Zusammenarbeit."
Matthias Pippert aus Lauterbach merkte an, dass die verkehrliche Anbindung der Region ohnehin sehr gut sei, "ich denke nicht, dass von einem weiteren Ausbau noch mehr zu erwarten ist. Die Umgehung ist ein konkretes Projekt, seit Jahrzehnten geplant, zum Glück nicht fertig und auch total aus der Zeit gefallen. Der Verkehr muss künftig elektrisch stattfinden, und wenn die Umgehung fertig ist, wird sich der Verkehr ganz anders darstellen", mutmaßte Pippert. Durch die Umstellung der Lkw-Maut bestehe eine gute Chance, dass der Lkw-Verkehr zurück auf die Autobahnen gehe. Hierzu erklärte Gerhard Rühmkorf, Ministerialdirigent im Bundesverkehrsministerium, dass es mit der Mautverlagerung nicht so einfach sei: "Diese hat nur dort stattgefunden, wo die Strecke über die Bundesstraße auch eine Abkürzung ist. Für Spediteure ist Zeit Geld. Und den Abkürzungsverkehr gab es auch schon vor der Maut. Zum Thema Elektromobilität erklärte Erster Kreisbeigeordneter Dr. Jens Mischak, dass bundesweit nur zwischen 0,5 und einem Prozent Elektroautos unterwegs seien. "Ob es da in zehn bis 15 Jahren eine merkliche Veränderung geben wird? Nur durch E-Mobilität werden ja beispielsweise nicht Fragen der Verkehrssicherheit gelöst." Zehn Prozent aller Kraftfahrzeuge, die die B 254 befahren, seien Schwerverkehr. Pipperts These, dass das Gebiet gut erschlossen sei, widersprächen erhobene Daten der vergangenen 24 Monate - bei Anfragen von ansiedlungswilligen Unternehmen bezüglich der Entfernung zur Autobahn sei auch nachgehakt worden, wie es mit der verkehrlichen Erschließung aussehe.
Dr. Gerhard Bäuerle aus Lauterbach bemerkte, dass die Raumplanung feststehe. "Ich wundere mich, dass versucht wird, ein Gutachten zu erstellen. Bei verschiedenen Prüfungen, wie dem Naturschutz, wurde festgestellt, dass die Beeinträchtigung nicht so vehement ist, dass die Umgehung nicht möglich ist."
Dr. Wolfgang Dennhöfer, Sprecher für die Naturschutzverbände, erklärte: "Die Naturschutzprüfungen wurden von einem Institut in Hungen gemacht, dem vertraue ich." Beim Durcharbeiten der Unterlagen habe er festgestellt, dass in der neuesten Planung große Teile der Ausgleichsmaßnahmen herausgestrichen worden seien. "Das ist naturschutzfachlich nicht ausgeglichen und damit nicht rechtskonform." Dem widersprach Ulrich Hansel von Hessen Mobil: "Sie handeln hier mit Zahlen, die ich in keinster Weise nachvollziehen kann. In manchen Teilen haben wir weniger Ausgleich, in anderen dafür mehr. Zum Teil ist der Ausgleich auch weiter entfernt und geschieht durch Ökopunkte. Natürlich sind Eingriffe in die Natur da, aber sie werden ausgeglichen. Und dabei bewegen wir uns sicher nicht in rechtsfreiem Raum."
Martin Krauss aus Lauterbach fragte bei Hartmut Kind nach: "Eine Ortsumgehung ist für einzelne Gemeinden sinnvoll bei begleitenden Maßnahmen. Wie viel Geld muss eine Kommune dafür in die Hand nehmen?" Eine genaue Zahl konnte der Stadtplaner nicht nennen, riet aber: "Wenn die Verkehrswegeplanung die Strecke vorsieht, würde ich den Fokus darauf richten, welche Entwicklung Lauterbach in den vergangenen 50 Jahren genommen hat. Lauterbach braucht einen Entwicklungsschub und eine neue Entwicklungsstrategie. Sie haben die Chance, neue Szenarien zu planen, holen sie sich dafür Fachleute für Stadtentwicklung."
Heiner Bockweg aus Angersbach ist vom Wert der Umgehungsstraße überzeugt, versteht aber auch die bestehenden Ängste. Von Euronics-Geschäftsführer Jürgen Hanitsch wollte er wissen, ob die Verluste tatsächlich so groß sein werden. Dieser erklärte, dass der Anteil der Kunden außerhalb des Werbegebietes etwa 20 Prozent betrage. "Ich sehe schon die Gefahr, dass wir Verluste von mindestens zehn Prozent hinnehmen müssen. Die Teilsperrung 2013 haben wir massiv gemerkt." Jens Mischak merkte dazu an: "Die Umgehung heißt ja nicht, dass die Leute automatisch nicht mehr kommen. Wenn Beratung und Angebot stimmen, kommen sie auch weiterhin."
Katharina Jacob aus Lauterbach mutmaßte, dass, wenn es keinen Durchgangsverkehr mehr gebe, die meisten Geschäfte schließen müssten und alles veröden werde. Der Erste Kreisbeigeordnete fand diese Denkweise schlimm und betonte: "Mir liegt die Regionalentwicklung am Herzen und in den vergangenen Jahren sind die Einwohnerzahlen im Vogelsberg gestiegen. Man kann diese Umgehung als Chance sehen und positiv an die Sache rangehen."
Hubert Reinhardt aus Angersbach, Sprecher der Bürgerinitiative Pro Lebensraum Wartenberg, berichtete von der Unterschriftenaktion gegen die Umgehung. "1500 Unterschriften haben wir gesammelt, davon über 700 aus Wartenberg, das sind knapp 23 Prozent der Wahlberechtigten. Mich interessiert, wie die naturschutzrechtlichen Belange abgewogen werden. Und wie neue Arbeitsplätze entstehen sollen." Wolfgang Dennhöfer erklärte: "Im Planfeststellungsverfahren werden alle möglichen Belange abgefragt. Man sollte dem aber nicht folgen, wenn in der Endabwägung die Nachteile überwiegen." Jens Mischak sah durch die Umgehung keine Gefahr für Arbeitsplätze: "Eine Firma in Wartenberg wird ihren Standort nicht verlagern, nur weil die Straße anders verläuft."
Ferdinand Stein aus Bad Salzschlirf interessierte sich für den Knoten 5 der neuen Umgehungsstraße, gegen den er sich grundsätzlich ausspreche, da er ein zu großes Verkehrsaufkommen in Bad Salzschlirf befürchte. Ulrich Hansel erklärte, dass der Knoten für Bad Salzschlirf notwendig sei. "Auf der Landesstraße herrscht jetzt schon eine spürbare Belastung. Die wird in etwa gleichbleiben."
Dr. Reinhard Fehl aus Angersbach vermutete: "Nach Lauterbach werden die Leute auch weiterhin trotz Umgehung fahren. Aber wie ist das mit Wartenberg? Firmenkunden kommen zu ihren Termin und fahren dann wieder weg. Was können wir tun, damit unsere Gemeinde weiterhin aufgesucht wird?" Hartmut Kind meinte scherzhaft: "Laden Sie mich ein, dann machen wir einen Plan." Er machte deutlich, dass nicht ein Ort wie der andere sei, jede Gemeinde entwickle sich unterschiedlich. "Machen Sie aus Ihrer schönen Gemeinde eine Wohngemeinde mit vielen Fachwerkhäusern, schaffen Sie Wohnqualität. Suchen Sie Ihre Chance in den neuen Überlegungen, holen Sie sich Marketingleute dazu. Warum sollten junge Leute nicht in Wartenberg wohnen?"
Matthias Keller aus Landenhausen erkundigte sich bei Bürgermeister Dahlmann nach dem Gutachten. "Wie können wir es in eine Richtung lenken? Und wie kann man den Fragenkatalog anders gestalten?" Dahlmann erklärte, dass beiden Bürgerinitiativen seine Tür immer offen stehe. "Wir sind gut beraten, das Gutachten anzugehen, denn es stehen Überlegungen an, beispielsweise zum Mehr an Gemeindestraßenkilometern."
Am Ende meldete sich noch Rudolf Dietrich aus Lauterbach zu Wort, der sich von Stadtplaner Hartmut Kind enttäuscht zeigte: "Bei einer vorherigen Veranstaltung haben Sie noch gesagt, die Verkehrsführung an der Gemeinde vorbei sei schlecht." Diesen Vorwurf akzeptierte Kind nicht: "Das habe ich nie gesagt. Sehen Sie es doch als Chance, wenn der Verkehr aus der Gemeinde herausverlagert wird, entsteht eine neue Lebensqualität. Natürlich kann man alles zerreden, aber Stadtentwicklung muss nach vorne schauen. Setzen Sie sich damit auseinander."
Bericht | ti
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