Fragen und Antworten zum Blitzer-Urteil


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Neues Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt in Sachen Blitzer - Was bedeutet das für Autofahrer ?

Autofahrer, die in Hessen geblitzt worden sind, können nun auf ein neues Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt hoffen. Unter Umständen können sie erfolgreich Einspruch einlegen. Oberhessen-live beantwortet die wichtigsten Fragen.
Autofahrer, die in Hessen geblitzt worden sind, können nun auf ein neues Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt hoffen. Unter Umständen können sie erfolgreich Einspruch einlegen. Oberhessen-live beantwortet die wichtigsten Fragen.

ALSFELD - Manchmal geht es ziemlich schnell: Gerade noch fährt man gemütlich durch die Stadt – und plötzlich wird man von einem grellen Blitz geblendet. Der Blick auf den Tacho verrät: Die Fahrt war doch nicht gemütlich, sondern etwas zu schnell. Autofahrer, die in Hessen geblitzt worden sind, können nun auf ein neues Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt hoffen. Unter Umständen können sie erfolgreich Einspruch einlegen. Oberhessen-live beantwortet die wichtigsten Fragen, die sich jetzt auch Vogelsberger Autofahrer stellen sollten.


Zum Hintergrund: Im Alsfelder Amtsgericht Anfang Dezember des letzten Jahres nahm alles seinen Anfang. Ein Betroffener klagte gegen einen Bußgeldbescheid. Wegen einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts von 38 Kilometern pro Stunde, sollte er eine Geldstrafe von 190 Euro zahlen und einen Monat Fahrverbot erhalten. Der Mann legte Einspruch ein und wurde freigesprochen. Ausschlaggebend war hier, dass das Bürgermeister der „Stadt L“ – wie es das Gericht im Urteil verlauten ließ – entgegen zweier Erlasse des Hessischen Innenministeriums dieses Bußgeldverfahren eingeleitet habe.

 

Die besagte Stadt hat laut Urteil die Beweismittel nicht selbst, wie vorgeschrieben, sondern durch einen privaten Dienstleister erfassen lassen. Die Staatsanwaltschaft legte Rechtsbeschwerde ein und das Verfahren wanderte zum Oberlandesgericht nach Frankfurt. Doch auch dort schloss man sich der Auffassung des Amtsgerichts an. Und das Urteil hat nun Auswirkungen auf viele Kommunen in Hessen.

 

Was steht in dem Urteil ?

Das komplette, rechtkräftige Urteil vom 26. April finden Sie hier als PDF. Im Folgenden zitieren wir die wichtigsten Passagen und erklären, was sie bedeuten.

 

„Die Verkehrsüberwachung dient der Verkehrssicherheit“: … und nicht dem wirtschaftlichen Interesse. Das spricht eigentlich für sich. An der Verkehrsüberwachung soll also kein Geld verdient werden. Sie dient ausschließlich der Verkehrssicherheit. Private Dienstleister könnten dabei vom wirtschaftlichen Interesse geleitet sein – es muss hier also eine klare Trennung erfolgen.

 

„Hoheitliche Herrschaft über die Beweisermittlung und Beweisführung“: Die Kommune muss die die komplette Beweissicherung in der eigenen Hand behalten und darf private Dienstleister nur bei Assistenztätigkeiten hinzuziehen.

 

„Die Ordnungsbehörde muss Herrin des Messgeräts sein“: Wenn ein Messgerät durch eine Kommune geliehen ist, muss sichergestellt sein, dass der private Eigentümer keinen Einfluss auf die Verwendung des Messgerätes hat. Schon allein die Bezahlung des Messgerätes durch die Bußgelder ist unzulässig, weil hier das wirtschaftliche Interesse des Eigentümers im Vordergrund stehen könnte.

 

„Die Ordnungsbehörde muss Herrin des durch die Messanlage gewonnenen Beweismaterials sein“: Die Ordnungsbehörde ist dafür zuständig die Rohdaten aus dem Messgerät zu gewinnen, die dann als Beweismaterial dienen. Diese Originale müssen ununterbrochen im Besitz der Behörde sein und dürfen nicht an private Dienstleister weitergegeben werden und schon gar nicht von Dritten gewonnen werden.

 

„Die Ordnungsbehörde muss die Umwandlung und Auswertung des Beweismittels selbst durchführen“: Ergo auch die Datenverarbeitung – sei es mit den Originaldatein oder mit Kopien – darf nicht von privaten Dienstleistern gemacht werden, sondern muss im eigenen Haus bleiben. Die Behörde muss also die Daten selbst verarbeiten. So will man Manipulationen an den Messdaten vorbeugen. Auch die Vorselektion oder Vorauswertung durch Dritte ist nicht erlaubt.

 

Daraus ergibt sich: Die komplette Verarbeitung muss bei der Ordnungsbehörde bleiben. Ist das nicht der Fall gilt, das sogenannte „Beweisverwertungsverbot“. Ich wurde vor längerer Zeit im Vogelsberg geblitzt. Kann ich jetzt mein Geld zurückverlangen?

 

Ralf Alexander Becker: „Ich glaube ein Jubelschrei ist hier verfrüht. Wer denkt, dass alle Knöllchen jetzt nichts mehr wert sind, liegt falsch. Alle Betroffenen bekommen ihr Geld nicht zurück. Wenn der Betroffene den Bußgeldbetrag bereits überwiesen hat und auch die Einspruchsfrist abgelaufen ist, dann halte ich es für ausgeschlossen, da noch etwas zu machen. Man kann hier nicht rückwirkend sein Geld zurück verlangen. Die Sache ist in einem solchen Fall leider rechtskräftig geworden.“

 

Habe ich noch eine Chance, wenn ich erst kurze Zeit vor dem Urteil geblitzt wurde,  aber ich noch nicht bezahlt habe und auch die Einspruchsfrist noch nicht abgelaufen ist?

 

„Letztendlich muss man immer schauen, wie viel des gesamten Vorganges die Kommune als Hoheitsträger an einen Privaten abgegeben hat und da wird der Einzelfall betrachtet. Da sich vermutlich viele Kommunen nicht an die Vorgaben des Oberlandesgericht Frankfurt gehalten haben, macht es aber in einem solchen Fall derzeit sicher Sinn, Einspruch einzulegen und auf die Vorgaben des Oberlandesgerichts Frankfurt hinzuweisen.“

Die komplette Datenverarbeitung muss bei der Ordnungsbehörde liegen.
Die komplette Datenverarbeitung muss bei der Ordnungsbehörde liegen.

Fotos | ts

Was passiert in einem solchen Fall ?

„In einem Fall, wo noch nicht bezahlt wurde und auch die Einspruchsfrist noch nicht abgelaufen ist, kann man Einspruch einlegen und derzeit gute Chancen haben. Insgesamt ist der Ablauf so, dass zunächst in der Regel ein bis drei Wochen nach dem Blitzen ein Anhörungsschreiben kommt. Das ist das, wo meistens schon das berühmte Bild mit dabei ist. Hier muss man noch nichts machen. Danach kommt ein Bußgeldbescheid und bei dem hat man eine Einspruchsfrist von zwei Wochen. Wenn diese Frist noch nicht abgelaufen ist und man auch den Betrag noch nicht überwiesen hat, dann kann und sollte man Einspruch gegen den Bescheid einlegen. Wenn die Bußgeldbehörde das Verfahren daraufhin nicht schon selbst einstellt, dann landet das Ganze vor dem Amtsgericht, aber die Chancen stehen derzeit gut.“

 

Was ist, wenn ich kurz vor dem Urteil geblitzt wurde und mein Bußgeldbescheid noch aussteht ? „Dann ist das noch nicht rechtskräftig und man hat Glück. In einem solchen Fall stehen die Chancen gut. Es kann sein, dass die zuständige Behörde aus den gegebenen Gründen erst gar keine Bußgeldbescheide verschicken. Wenn doch, dann sind hat man gute Aussichten vor Gericht – es kann sogar sein, dass das Amtsgericht das Verfahren sofort einstellt, und es gar nicht zu einem Termin kommt.“

 

Welche Kommunen sind davon betroffen ?

Das Urteil gilt für ganz Hessen. Die meisten Messgeräte werden von privaten Dienstleistern betrieben, die auch die Messungen auswerten. Im Fall des Urteils handelt es sich sogar um ein sogenanntes „Rundum-Sorglos-Paket“. Das trifft allerdings nicht auf alle Kommunen zu.

 

Stadt Alsfeld

Auch in der Stadt Alsfeld sind zwei Blitzer betroffen: Eudorf und Angenrod. „Wir haben meiner Meinung nach zu jeder Zeit die Kontrolle über die Messgeräte und deren Auswertung gehabt. Es gab keine Möglichkeit der Manipulation“, erklärte Monika Kauer von der Ordnungsbehörde in Alsfeld. Zusammen mit Stadtrat Berthold Rinner, der die Vertretung von Stadtoberhaupt Stephan Paule während seines Urlaubs übernimmt, erklärten sie das bisherige Vorgehen der Stadt. Die Auswertung der Daten sei stets über die Ordnungsbehörde gelaufen und auch die Originaldaten seien nie an den Vertragspartner Vetro Elektronik weiter gegeben worden.

 

„Eine Kopie der Daten haben wir zur Verarbeitung und Auswertung weitergegeben“, erläuterte Rinner. Die Auswertung sei dann wieder bei der Stadt geprüft und bearbeitet worden. Dabei habe man die Daten des Dienstleisters mit den Originalen abgeglichen. Auch die „Knöllchen“ hat die Stadt daraufhin selbst verschickt, ergänzte Kauer. Dieser Ablauf ist mit dem Urteil verboten worden. „Durch das Urteil sind klare Richtlinien geschaffen worden, die wir momentan bearbeiten“, erklärte Rinner weiter. Die Geräte habe man unmittelbar nach dem Urteil abgestellt und bereits erste Gespräche für eine entsprechende Lösung mit dem Vertragspartner geführt. Die habe sich kooperativ verhalten und eine schnelle Lösung sei im Interesse beider.

 

„Bis zu dem Urteil war nichts im Einsatz, was falsch hätte sein können. Wir haben uns zu 100 Prozent gemäß der vorgegebenen Vorschriften verhalten“, sagte Kauer weiter. Eine Gemeinde im Vogelsbergkreis habe ihre Aufgabe komplett ausgelagert und das übertrage sich nun auf weitere Kommunen in ganz Hessen. Der Stadt Alsfeld fehlt zur Einhaltung der neuen Vorschriften lediglich eine Software, so dass die Daten das „Haus“ nicht mehr verlassen, erklärte Kauer. Die Mehrarbeit halte sich also in Grenzen. Auch Stadtrat Rinner sah das Urteil nicht tragisch: „Jetzt gelten einfach einheitliche Regeln und die muss man sich anpassen. Das ist gut“, sagte er dazu.

 

Stadt Lauterbach

Auch die Stadt Lauterbach ist davon betroffen. Genauer: Sie ist sogar der Auslöser des Urteils, wie Hans-Helmut Möller aus dem Bürgermeisterbüro gegenüber Oberhessen-live bestätigte. „Wir haben die Anlagen natürlich abgestellt zur Zeit und arbeiten daran, sie unter Einhaltung der Vorschriften wieder in Betrieb zu nehmen“, erklärte er weiter. Wie lange das dauere, könne er derzeit nicht sagen. Man arbeite daran, verschiedene Wege zu prüfen, um die Anlagen „so schnell wie möglich wieder zum Laufen zu bringen“.

 

Bereits jetzt habe man zusammen mit dem Vertragspartner verschiedene Entwürfe erstellt, die allerdings zunächst mit allen Instanzen abgestimmt werden müssten. „Wir bringen das Ganze gerade in Bewegung, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten“, sagte Möller dazu.


Bericht | ls



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Kommentare: 1
  • #1

    Jan von Karohl (Samstag, 25 November 2017 20:01)

    Harald Geicke 24.07.2017 um 21:31 Uhr
    Das ist aber ein ganz schlauer Kommentar, jeder macht mal einen Fehler und ist etwas schneller ohne gleich ein „Raser „zu sein.Wer täglich Beruflich unterwegs ist hat auch ein höheres Risiko geblitzt zu werden Ihnen wünsche ich viel Glück ohne Knöllchen Ihre Fahrenszeit zu überstehen
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    Wilhelm Schmidt 23.07.2017 um 20:26 Uhr
    Die praktizierten Regularien müssen natürlich rechtlich einwandfrei und geregelt werden. Allerdings gibt es schon geregelte Hinweise. Schilder mit Zahlen darauf. Die gilt es einfach nur zu befolgen. Dann ist man frei von Problemen. Den Rest hat die Fahrschule mal vermittelt. Einfach mal erinnern.
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