"Klimaerwärmung" im Vogelsberg


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KLIMAINDEX Industrie- und Handelskammer stellt Konjunkturzahlen vor / Fachkräftemangel macht sich stärker bemerkbar

VOGELSBERGKREIS - Als "robust und stabil" bezeichnet Rainer Schwarz, Präsident der Industrie- und Handelskammer Gießen-Friedberg, die derzeitigen Erwartungen der heimischen Unternehmen an die wirtschaftliche Zukunft. Doch es gibt auch weiterhin Gefälle zwischen den einzelnen Regionen. Auch der Fachkräftemangel ist spürbar.

Stellten die Konjunkturdaten vor (von links): Karbens Bürgermeister Guido Rahn, Matthias Leder (Hauptgeschäftsführer IHK Gießen-Friedberg), IHK-Präsident Rainer Schwarz und Nico Ubenauf (Gründer und Vorstand Satis & Fy in Karben).
Stellten die Konjunkturdaten vor (von links): Karbens Bürgermeister Guido Rahn, Matthias Leder (Hauptgeschäftsführer IHK Gießen-Friedberg), IHK-Präsident Rainer Schwarz und Nico Ubenauf (Gründer und Vorstand Satis & Fy in Karben).

Foto | Thomas Kopp


Besser als im Vorjahr, aber auch etwas schlechter als im Frühjahr: So schätzen Unternehmen aus den Landkreisen Wetterau, Gießen und Vogelsberg ihre Aussichten für das nächste Halbjahr ein. So sehen es jedenfalls rund 37 Prozent der 800 Unternehmen, die von der IHK für ihre Halbjahresprognose angeschrieben wurden und auch geantwortet haben.

 

Dabei seien es durchaus unruhige Zeiten, wie IHK-Präsident Rainer Schwarz bei der Vorstellung der Zahlen beim Karbener Unternehmen Satis & Fy zu bedenken gibt. Trotzdem zeigen sich 43,3 Prozent der Unternehmen zufrieden mit der derzeitigen Geschäftslage. Doch blicken sie ein halbes Jahr voraus, rechnen nur noch 18,2 Prozent mit günstigen Entwicklungen, das sind fünf Prozentpunkte weniger als im Frühjahr, aber immerhin etwas mehr als im Vorjahr. "Die Gegenwart wird als stabil positiv beurteilt, die nahe Zukunft sieht man verhalten optimistisch", fasst Schwarz zusammen.

 

Wenig Arbeitslose

Unter dem Strich steht der sogenannte Klimaindex zwischen dem Tiefstwert Null und dem Höchstwert von 200. Heraus kommt in diesem Halbjahr ein Wert von 119,4. Der Vogelsbergkreis kommt auf 111,7. Damit liegt er besser als im Herbst 2016 mit 103,9, aber auch besser, als im Frühjahr mit 109,3.

 

Gute Zukunftsaussichten werden für das Bruttoinlandsprodukt erwartet, die Arbeitslosenquote liegt mit 5,5 Prozent so niedrig wie nie seit der Wiedervereinigung. Die Exportquote im IHK-Bezirk (erstes Halbjahr 2016) liegt bei 39,3 Prozent. Die höchste Quote erreichen die Betriebe im Landkreis Gießen: 46,3 Prozent. Die Betriebe der Stadt Gießen kommen auf 50,3 Prozent, der Landkreis Wetterau auf 38,5 Prozent und der Landkreis Vogelsberg auf 22,8 Prozent. Alle Exportwerte aus dem IHK-Bezirk liegen weit hinter der Quote von Hessen: 52,1 Prozent (erstes Halbjahr 2016). Beim Maschinenbau ist die Exportquote weiter angestiegen, doch die Inlandsnachfrage enttäuscht. Die Branche fordere deswegen vehement den Ausbau der digitalen Infrastruktur, wo die Politik viel stärker zwischen den Bedürfnissen der einzelnen Branchen unterscheiden müsse. Der Klimaindex hier liegt deswegen auch nur bei 105,3, sogar schwächer als im Vorjahr mit 108,3. Ganz anders die Elektroindustrie. Hier gibt es nur Rückgänge im Geschäft mit Großbritannien. Auch mit dem Inlandsgeschäft ist man noch nicht ganz zufrieden. Trotzdem schnellte der Wert von 100 im vergangenen Jahr auf 140,7 nach oben.

 

Das Baugewerbe strotzt vor Kraft, doch gehen die Erwartungen vor dem Winter nach unten. Der Wohnungsbau kommt laut Schwarz an seine Grenzen, Bauland wird immer knapper, ansonsten platze die Nachfrage aber aus allen Nähten. Der Index kommt auf 114,5 Punkte gegenüber 118,3 im Vorjahr und 135,7 im Frühling.

 

Selbst beim Einzelhandel macht sich kurz vor Weihnachten verhaltener Optimismus breit. 103,2 gegenüber 100,6 Punkten im Vorjahr bedeuten eine leichte Steigerung (Vogelsbergkreis: 100,0). Doch weiter bleibt die Angst vor den Online-Riesen groß, deswegen ist der Wert seit Jahren traditionell niedrig. Im Bereich Industrie liegt der Index im Landkreis Gießen bei 130,9. in der Wetterau bei 126,9 und im Vogelsberg bei 117,8. Die Elektroindustrie erzielt den besten Wert der Industriesparten.

 

Besonders am Fachkräftemangel zu knabbern hat das Speditionsgewerbe, auch die Diskussionen um Dieselfahrzeuge verhageln die Stimmung. Schwarz: "Zu wenige gute, ausgebildete Kraftfahrer treffen auf eine große Zahl altersbedingt ausscheidender Trucker." Der Indexwert stürzt hier von 137,6 im Vorjahr auf 111,4 Punkte ab.

 

800 Betriebe befragt

Nur 15,4 Prozent der Betriebe aller Branchen gehen wegen der mangelhaften Ausbildungssituation auch von steigenden Beschäftigtenzahlen aus. 11,4 Prozent fürchten eher Entlassungen, drei Viertel rechnen mit Stagnation. Die Ängste vor dem Fachkräftemangel haben sogar hohe Energie- und Rohstoffpreise als größtes mögliches Hindernis für Firmen verdrängt. Befragt wurden rund 800 Mitgliedsbetriebe aus den Landkreisen Gießen, Vogelsberg und Wetterau. Die Rücklaufquote beträgt 36,8 Prozent.


Bericht | Thomas Kopp



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