Abgeblitzt


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GERICHT  Urteil des OLG Frankfurt hat Auswirkungen auf stationäre Messanlagen

VOGELSBERGKREIS - "Die Ordnungsbehörde muss die Umwandlung und Auswertung des Beweismittels selbst durchführen", heißt es in einem Urteil des Oberlandesgerichtes Frankfurt vom 26. April. Und das hat Auswirkungen auf heimische Kommunen, die in ihren Ortslagen stationäre Geschwindigkeitsmessanlagen stehen haben. Dabei nahm die ganze Geschichte beim Amtsgericht Alsfeld ihren Anfang. Gegen ein Urteil des Amtsgerichts vom 2. Dezember 2016 legte die Staatsanwaltschaft Rechtsbeschwerde ein. 

Der "Blitzer" in Grebenhain am Ortseingang in Richtung Hartmannshain kann in Betrieb bleiben.
Der "Blitzer" in Grebenhain am Ortseingang in Richtung Hartmannshain kann in Betrieb bleiben.

Foto | Frank Schäfer


Erst daraufhin kam der Fall zur höheren Instanz nach Frankfurt. Zunächst hatte in Alsfeld ein Betroffener gegen einen Bußgeldbescheid geklagt. Er sollte wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 38 Stundenkilometer eine Geldbuße in Höhe von 190 Euro zahlen und ein Fahrverbot von einem Monat erhalten. Auf seinen Einspruch hin sprach das Amtsgericht Alsfeld den Betroffenen unter Annahme eines Beweisverwertungsverbotes frei. Der Mann räumte ein, der Fahrer gewesen zu sein, und das geeichte Messgerät hatte (abzüglich der üblichen Toleranz) tatsächlich ein Tempo von 88 Stundenkilometern ermittelt. Ausschlaggebend war für das Amtsgericht jedoch, dass der Bürgermeister der "Stadt 02" (das Gericht hat den genauen Ort des Vorfalls anonymisiert) entgegen zweier Erlasse des Hessischen Innenministeriums ein Bußgeldverfahren eingeleitet habe. Die Krux dabei: Die Beweismittel wurden nicht durch den Hoheitsträger, sondern durch einen privaten Dienstleister erhoben. Das Oberlandesgericht folgte dieser Auffassung. Das Auslesen und Sicherstellen der Daten sei Aufgabe des Hoheitsträgers. Anders wäre es nach Auffassung des OLG, wenn die Stadt die Original-Falldateien aus dem Messgerät selbst gewonnen hätte und jetzt mit den Auswertungen des privaten Dienstleisters vergleichen könnte und würde. Mit diesen Maßgaben verwies das OLG Frankfurt den Fall zur Neuverhandlung an das Amtsgericht Alsfeld zurück. In dem Frankfurter Urteil (Aktenzeichen 2 Ss-Owi 295/17) heißt es zum Einsatz privater Dienstleister bei Verkehrsmessungen: "Die Ordnungsbehörde muss Herrin des durch die Messanlage gewonnenen Beweismittels sein ... Die Ordnungsbehörde muss die Umwandlung und Auswertung des Beweismittels selbst durchführen." Ist dies nicht der Fall, gilt das sogenannte "Beweisverwertungsverbot". Zu einem ähnlichen Schluss kam im Mai 2017 übrigens auch das OLG Saarbrücken: Die Auswertung solcher Messungen sei eine hoheitliche Aufgabe, die nicht auf private Firmen übertragen werden dürfe.

 

Kommunen müssen handeln

Die meisten dieser "Blitzer" werden von Privatfirmen betrieben, die auch die Messungen auswerten. "Knöllchen", die auf diese Weise zustande kommen, sind also als Folge dieses Urteils nicht rechtskonform. Die Stadt Alsfeld war am Dienstag nicht für eine offizielle Stellungnahme zu erreichen. Denn die heikle Geschichte fällt qua Amt in die Zuständigkeit des urlaubenden Bürgermeisters Stephan Paule (CDU) und die städtischen Angestellten verwiesen auf den Rathauschef. Es war lediglich zu erfahren, dass Gespräche mit dem Dienstleister stattfinden. Klare Worte fand dagegen Mückes Bürgermeister Matthias Weitzel (SPD): "Alle Kommunen im Vogelsbergkreis und in ganz Hessen sind betroffen." Seine Gemeinde sei gerade dabei, das Ganze rechtskonform aufzustellen. Mücke habe es bisher wie viele andere Kommunen mit einem Dienstleister gemacht und das habe sich in den letzten Jahren positiv auf die Verkehrssicherheit ausgewirkt. "Es wurde langsamer gefahren. Zur Zeit messen wir nicht." Homberg, Kirtorf, Romrod, Feldatal und Gemünden teilen sich einen Ordnungsbehördenbezirk. Dort ist ein mobiles Blitzgerät im Einsatz und wenn geblitzt wird, ist immer ein Ordnungsbeamter mit dabei, erklärt Markus Haumann von der Stadt Homberg. Somit dürften die Geschwindigkeitsmessungen rechtskonform sein. Verantwortlich für den Ordnungsbehördenbezirk sei jedoch die Stadt Kirtorf.

 

Das Ganze betreffe auch Lauterbach, sagte Bürgermeister Rainer-Hans Vollmöller (CDU) auf Nachfrage. Die Stadt arbeite bei den Messanlagen mit der Firma Limitec. "Wir sind dabei, das rechtlich aufzuarbeiten." Denkbar sei, künftig alles selbst zu machen oder "gewisse Dinge anzumieten". Das werde noch geprüft. Lauterbach teile sich einen Ordnungsbehördenbezirk mit Grebenhain, Lautertal und Freiensteinau. Die in Wartenberg durchgeführten Geschwindigkeitsmessungen seien rechtskonform, wie Bürgermeister Olaf Dahlmann (SPD) auf Anfrage erklärte. Die "Blitzer" in Angersbach und Landenhausen werden also weiter so betrieben wie bisher.

Bericht | Frank Schäfer · Christian Dickel



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