Thema mobilisiert Menschen


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"Trassenspaziergang 2.0" - Zwar kämen auf dem geplanten Trassenverlauf keine seltenen Vogelarten vor

ANGERSBACH - "Trassenspaziergang 2.0" war das Motto, unter dem die Gegner der geplanten Ortsumgehung Lauterbach/Wartenberg - der Kreisverband Vogelsberg des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie die beiden Bürgerinitiativen "Interessengemeinschaft gegen die Lauterbacher Umgehung" (IGGLU) und "Pro Lebensraum Wartenberg" - zu einer zweiten Begehung des geplanten Streckenverlaufs vor Ort eingeladen hatten. 

 


Dr. Dennhöfer findet auf der Burgruine Wartenberg ein großes Publikum.
Dr. Dennhöfer findet auf der Burgruine Wartenberg ein großes Publikum.

Nachdem der erste derartige Spaziergang im Mai im Bereich von Vaitsberg und Kirschberg bei Lauterbach stattgefunden hatte, nahmen sich die Veranstalter dieses Mal den Bereich nördlich von Angersbach bis zur Burgruine Wartenberg vor. Und auch dieses Mal mobilisierte das heiß umstrittene Thema die Menschen: Mehr als 100 Teilnehmer aus allen Altersgruppen fanden sich zum Start am Friedhof in Angersbach ein. Hierüber zeigte sich Mitinitiator Wolfgang Dennhöfer vom BUND mehr als erfreut: "Bleiben Sie dabei, denn die Straße ist erst gebaut, wenn sie gebaut ist. Helfen Sie, den Politikern klarzumachen, dass es nicht wert ist, wenn 150 bis 200 Millionen Euro einfach hier im Lauterbacher Graben versenkt werden."

 


An verschiedenen Stellen des Rundgangs hatten die Organisatoren mit rot/weißem Trassierband Verlauf und Breite der geplanten Ortsumgehung abgesteckt, um die Veränderung der Landschaft nach einem Bau der Straße zu veranschaulichen - mit ausdrücklicher Genehmigung der jeweiligen Grundstückseigentümer, wie Hubert Reinhardt von der BI "Pro Lebensraum Wartenberg" betonte. Hier gab es außerdem Erläuterungen zum Ausmaß der Eingriffe in Landschaft und Natur, wozu auch eine mitgeführte Karte mit dem Streckenverlauf diente.

 


Mit einem Fototransparent demonstrieren die Umgehungsstraßengegner, welcher Anblick sich von der Burgruine bieten könnte.
Mit einem Fototransparent demonstrieren die Umgehungsstraßengegner, welcher Anblick sich von der Burgruine bieten könnte.

6,35 Meter hohe Brücke

Am Standort der geplanten Unterführung des Salzschlirfer Wegs demonstrierte ein großer Holzrahmen im Maßstab 1:1 die lichte Höhe von 6,53 Meter des dort vorgesehenen Brückenbauwerks. "Das wird schon ein richtig mächtiges Bauwerk, das die Landschaft verändert", erklärte Reinhardt. Ein Raunen ging durch die Menge, als er weiter ausführte, dass auf der knapp 240 Meter langen größten Brücke der Ortsumgehung überhaupt keine Lärmschutzwand vorgesehen sei, sondern nur ein gewöhnliches Brückengeländer. "Es wird immer behauptet, die Ortsumgehung müsse wegen der Anwohner an der B 254 gebaut werden. Dieses Problem wird aber nur verlagert, wenn die Autos künftig mit Tempo 120 und Lkw mit Tempo 100 über diese Brücke rasen. Durch die große Höhe von Brücke und Damm wird der Schall dann über ganz Angersbach getragen, und es sind dann wesentlich mehr Menschen vom Lärm betroffen als jetzt", ergänzte Dennhöfer dazu. Es sei sehr stark zu bezweifeln, dass nach einem Bau der Ortsumgehung die Lärmschutzrichtlinien wirklich eingehalten werden könnten. "Diese Behauptung von Experten will ich nicht weiter kommentieren", so Dennhöfer. Hessen Mobil habe mittlerweile selbst zugegeben, dass man den zu erwartenden Lärm nicht mehr messe, sondern nur noch berechne - dabei gäbe es keine Formel, mit der man die Lärmwirkung in einer bestimmten Landschaft im Voraus berechnen könne.


Fotos | Carsten Eigner

Rasende Lkw

Die nächste Station war die Burgruine Wartenberg, von wo aus weite Teile des geplanten Streckenverlaufs zu überblicken waren. Auf der Burgmauer entrollten zwei Mitglieder der Bürgerinitiativen ein großes Fototransparent, auf dem der künftige Blick in Richtung Angersbach nach einer Fertigstellung des Brückenbauwerks über die Lauter und die Bahnstrecke dargestellt wurde. "Heute können Sie hier noch Vogelgezwitscher hören - in zehn Jahren dann vielleicht nur noch den Lärm der Lkw, die über diese Autobahn rasen, wenn sie gebaut wird", meinte Dennhöfer. An feierliche Trauungen im besonderen Ambiente auf der Burgruine, wie es sie derzeit gäbe, sei dann wohl kaum noch zu denken. Im Hinblick auf den bevorstehenden "Tag des offenen Denkmals" müsse man sich vor Augen halten, dass die umgebende Kulturlandschaft genauso alt sei wie die Burg. "Wenn hier erstmal die Autobahn gebaut wird, gibt es das alles nicht mehr", so Dennhöfer.

Von der Burgruine Wartenberg führte der Rundgang weiter zur letzten Station, dem Bereich der geplanten Abfahrt von der neuen B 254n nach Angersbach. "Wenn das gebaut wird, ist hier alles zugeteert. Gerade hier sieht man den riesigen Flächenverbrauch, damit alles kreuzungsfrei gebaut werden kann, so wie bei einer richtigen Autobahn", erläuterte Reinhardt.

 

An dieser Stelle kamen auch einige Gäste zu Wort. Wolfgang Schad aus Angersbach, einer der beiden letzten Vollerwerbslandwirte in der Gemeinde Wartenberg, kritisierte das Projekt aus Sicht der Landwirtschaft: "Schon das Gelände, wo jetzt das Industriegebiet ist, war der beste Boden in der Gemarkung Angersbach, und jetzt soll uns auch der zweitbeste genommen werden. Als Landwirte werden wir immer mehr an die Höhen abgedrängt, wo die Bodenqualität viel schlechter ist. Man muss sich klarmachen, dass bundesweit im Durchschnitt täglich eine Fläche von 100 Sportplätzen zubetoniert und zuasphaltiert wird. So kann das nicht mehr weitergehen."

Von der Ortsgruppe Wartenberg des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) äußerte sich Bernd Vogel. Zwar kämen auf dem geplanten Trassenverlauf keine seltenen Vogelarten vor, doch auch die hier vorkommenden Arten wie Kiebitz und Feldlerche seien im Rückgang begriffen. Außerdem werde bei der Planung der Umgehungsstraße keine Rücksicht auf die Flora auf den bisher nur extensiv bewirtschafteten Flächen mit Vorkommen von Orchideen und Knabenkraut genommen. Die Zerschneidung der Landschaft verringere auch den Lebensraum für die dort vorkommenden Heuschreckenarten, die eine wichtige Nahrung für die Vögel seien. Man müsse sich dann nicht wundern, wenn ganze Arten wegen Nahrungsmangel verschwänden.

 

Dennhöfer zitierte aus der Mitgliederzeitschrift des ADAC, in der unlängst die Frage aufgeworfen worden sei, ob das Geld für das Verkehrsnetz gut angelegt sei - und dies bei einer Vereinigung, die eigentlich wie keine andere für die "Autolobby" stehe. Dieses Zitat stehe beispielhaft auch für die Pläne der Wartenberger Ortsumgehung. "Wir müssen den Verkehr so durch den Lauterbacher Graben leiten, dass die Menschen möglichst wenig belastet werden, und das ist nur auf der bestehenden Trasse möglich", so sein Fazit.

 

Zum Abschluss kündigte Reinhardt an, dass es im nächsten Frühjahr auf jeden Fall einen "Trassenspaziergang 3.0" geben werde - dieses Mal im Gebiet von Landenhausen. "Der heutige Tag hat gezeigt, dass es den Leuten nicht egal ist, was mit ihrer Heimat passiert", schloss er unter dem Beifall der Teilnehmer.


Bericht | Carsten Eigner


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