Klare Ansage: Trasse kommt, nur das Wie ist offen


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PROJEKT Ministerialdirigent Rühmkorf bestätigt Bau der geplanten Ortsumgehung: Entscheidung des Bundestages

LAUTERBACH - Die eigentliche Neuigkeit, die bei allen Anwesenden - ob nun bei Befürwortern oder Ablehnern - für eine große Überraschung sorgte, kam nach gut zweieinhalb Stunden. Und damit zu einem Zeitpunkt, als sich das LA-Forum zur geplanten Umgehungsstraße B 254n langsam dem Ende näherte. Da nämlich stellte Gerhard Rühmkorf, Ministerialdirigent aus dem Bundesverkehrsministerium, bei der Beantwortung der Frage von Zuhörer Dr. Gerhard Bäuerle aus Lauterbach klar, dass im Prinzip alles schon gelaufen sei: "Die Ortsumgehung beruht auf einer Entscheidung des Bundestages, es gibt einen Auftrag für die Straßenbaubehörde. Der Parlamentsbeschluss wird nicht durch einen Gemeindebeschluss gebrochen. Es geht hier nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie. Die Entscheidung über die Planung ist getroffen."

Auf dem Podium (von rechts): Ulrich Hansel von Hessen Mobil, Ministerialdirigent Gerhard Rühmkorf, LA-Redaktionsleiterin Claudia Kempf, LA-Redakteurin Annika Rausch, Erster Kreisbeigeordneter Dr. Jens Mischak, Dr. Wolfgang Dennhöfer, der Vertreter für NAB
Auf dem Podium (von rechts): Ulrich Hansel · Gerhard Rühmkorf · Claudia Kempf · Annika Rausch · Dr. Jens Mischak · Dr. Wolfgang Dennhöfer · Hartmut Kind

Foto | Ed Erbeck 


» Wir wollen nicht rausgehen

und Kumbaya singen, glücklich,

eine Lösung gefunden zu

haben « Dr. Jens Mischak zum “Runden Tisch"

Hier hakte LA-Redaktionsleiterin Claudia Kempf, die gemeinsam mit LA-Redakteurin Annika Rausch das Forum moderierte, nach: "Also ist es egal, ob Lauterbach und Wartenberg dagegen sind ?" Egal sei das definitiv nicht, so Rühmkorf, denn es gehe im Einvernehmen mit den beteiligten Kommunen nicht darum, einfach eine Trasse zu schlagen, sondern darum, den Verkehr zu entflechten und für eine höhere Verkehrssicherheit in den Ortschaften für Fußgänger und Radfahrer zu sorgen. Geplant sei ein "Fahrstreifen pro Richtung, und das ist auch völlig ausreichend". Als frühestmöglicher Baubeginn kommt nach Aussage des Regionalbevollmächtigten von Hessen Mobil, Ulrich Hansel, 2023 in Betracht.

 

Dass das Thema die Menschen in Lauterbach und Wartenberg bewegt, wurde auch an den sehr engagierten Beiträgen der Zuhörer deutlich (siehe Seite 17). Gut 250 hatten sich in der Aula der Wascherdeschule eingefunden, um zunächst von Experten über das Für und Wider einer solchen Straße informiert zu werden und um anschließend ihre Sicht der Dinge zu schildern. Eine Einstimmung auf den Abend lieferte ein von einer Drohne aufgenommener Kurzfilm, der aus ungewöhnlicher Perspektive einen Blick auf die bisherige Bundesstraße und die mögliche neue B 254n warf.

 

Das Fazit des Abends blieb Stadtplaner Hartmut Kind vorbehalten, der wie schon zu Beginn seiner Ausführungen daran appellierte, "alte Zöpfe" abzuschneiden und die Chancen zu sehen beziehungsweise zu nutzen, die eine solche Trasse für die beiden Kommunen Lauterbach und Wartenberg mit sich bringen kann. Kind: "Die Umgehungsstraße bietet die Möglichkeit, vorhandene Räume, auch die der Landschaft, neu zu gestalten und zugleich als Impuls für die innerörtliche Entwicklung zu nutzen. Trotz der Folgen für bestehende Lebensräume."

 

Der Stadtplaner appellierte sowohl an die verantwortlichen Kommunalpolitiker als auch an die betroffenen Bürger in Lauterbach und Wartenberg, sich früh mit der Thematik zu befassen und die genannten neuen Entwicklungschancen zu bewerten. Am Beispiel unter anderem von Hungen, wo eine Umgehung in 2006 realisiert worden war, legte er dar, dass dort rechtzeitig der notwendige Prozess in Gang gesetzt worden sei. Die Stadt habe Geld für gestalterische Maßnahmen in die Hand genommen, beispielsweise, um neue und bestehende Gewerbeflächen an die Ortsumgehung anzubinden. Auch in Usingen oder in der Rhöngemeinde Dipperz habe es eine lange Vorlaufzeit gegeben. Erkannt worden sei, den Bau als Chance zu begreifen, "und in Dipperz sind heute viele froh darüber".

 

Aktuelle Daten, was die Belastung der bestehenden Bundesstraße angeht, hatten sich die Anwesenden von Ulrich Hansel erhofft. Der Hessen-Mobil-Mann präsentierte auf Nachfrage allerdings Zahlenmaterial von 2013. Dies sei die Basis für die nunmehr geänderten Pläne, betonte Hansel. Die letzte Aktualisierung der Zahlen zur Fortschreibung der Verkehrsmengenkarte sei 2015 durchgeführt worden, hier gibt es noch keine Ergebnisse. Den bisherigen Daten zufolge, allerdings nicht spezisch aufgeschlüsselt nach Durchgangs-, Ziel- und Quellverkehr, ist die Ortsdurchfahrt Lauterbach mit täglich 13 000 Fahrzeugen am stärksten belastet, gefolgt von Angersbach mit 12 000, Landenhausen mit 11 000 und Maar mit rund 9000 Pkw. Ausführlich schilderte Hansel die seit gut 40 Jahren andauernde Planung und den Verlauf der Umgehung (unsere Zeitung berichtete mehrfach), deren Finanzierung mit rund 64 Millionen Euro angesetzt ist und die rund 11,95 Kilometer lang sein soll. Fünf so genannte "Knoten" sind vorgesehen, "und unsere Vorgabe ist es, so zu planen, dass die Betroffenheit für die Anlieger möglichst gering sein wird". Hansel zufolge sind im Übrigen derzeit "keine aktuellen Maßnahmen zur Minderung der Lärmbelastung" angedacht. Vielmehr wies er auf die Tempo-30-Regelung für Lkw in den Nachtstunden hin. Betroffene Bürger könnten zudem Anträge für Lärmschutzmaßnahmen stellen; beispielsweise für Schallschutzfenster. Für Tempobegrenzungen am Tag gebe es derzeit keine rechtliche Basis, betonte auch Erster Kreisbeigeordneter Dr. Jens Mischak. Weiter sagte er: "Was gemacht werden musste, ist gemacht worden." Die Tempo-30-Regelung habe im Übrigen nur eine Lärmminderung um zwei Dezibel gebracht.

 

Ministerialdirigent Rühmkorf ging, bevor er gegen Schluss der über dreistündigen Veranstaltung die anfangs erwähnte Aussage traf, auf Details des Verfahrens ein. Die geplante Trasse könne nur als Gesamtprojekt bewertet werden. Derzeit befinde man sich im so genannten Planfeststellungsverfahren, das im Übrigen rechtsmittelfähig sei, und in einem Abwägungsprozess. Dazu gehöre auch die Prüfung der gut 170 Einwendungen.

 

 

Der "Runde Tisch Umgehungsstraße", der unter Leitung des früheren Kreistagsvorsitzenden Jürgen Ackermann vor drei Wochen erstmals getagt hatte, wird nach Auskunft des Ersten Kreisbeigeordneten Mischak auch die verschiedenen Interessensgruppen wie Gewerbetreibende, Einzelhändler, Hessen Mobil und Naturschützer hören. "Am Ende wird aber jede Stadt und Gemeinde selbst darüber entscheiden müssen, wie sie sich auf die Herausforderungen einstellt", so Mischak. "Wir wollen am Ende schlauer hinausgehen als wir in die erste Sitzung hineingegangen sind", formulierte er weiter.

 

"Der geänderte Planentwurf besitzt sehr viele ökologische Schwachstellen und ist aus diesem Grunde nicht rechtskonform", argumentierte Dr. Wolfgang Dennhöfer. Der Biologe, der für die Naturschutzverbände BUND und NABU sprach, ging auf eine von ihm verfasste umfangreiche Stellungnahme gegen das Projekt ein und kritisierte, dass erst in letzter Zeit ernsthaft Maßnahmen in Angriff genommen würden, den Verkehr zu verlangsamen. In diese Richtung sollte sich das Ganze weiterentwickeln. Dennhöfer zeigte verschiedene Fotos, um die Auswirkungen der geplanten Trasse auf die Natur darzustellen, insbesondere der so genannte "Lauterbacher Graben" werde platt gemacht. "Es ist einfach schön dort", betonte er und warnte davor, dass das Projekt die biologische Vielfalt und wichtige Lebensräume für Tiere und Pflanzen zerstören werde. Zudem werde es verstärkten Lärm für die Menschen geben, "die bisher noch ihre Ruhe haben".

 

Nicht auf dem Podium, aber gleichfalls Gesprächspartner, waren die beiden Bürgermeister von Lauterbach und Wartenberg: Rainer-Hans Vollmöller zeigte anhand des Anstieges von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auf, "dass Lauterbach inzwischen mehr Ein- als Auspendler hat". Für die Stadt gehe es darum, sich perspektivisch und strategisch weiterzuentwickeln. Vollmöller verwies zudem auf die "sehr breite Mehrheit" des Stadtparlaments für die Umgehung. Die Kommunalpolitik sei gefordert, bei diesem nun in Gang kommenden Entwicklungsprozess mit anzupacken. Was eine Einbeziehung von Reuters angeht, so sprach Rühmkorf davon, dass der Bedarf grundsätzlich anerkannt sei, diese Maßnahme aber getrennt von der Umgehung Lauterbach/Wartenberg betrachtet werden müsse. Es gebe aber keinen "vordringlichen Bedarf. Dennoch gehöre auch dieses Ausbaustück zur endausgebauten B 254.

 

Dass letztendlich im Parlament die "sicherlich nicht leichte" Entscheidung getroffen werden sollte und nicht durch einen Bürgerentscheid, bekräftigte der Wartenberger Verwaltungschef Dr. Olaf Dahlmann. Auch wenn er persönlich geäußert habe, er brauche die Umgehung nicht, so fühle er sich doch an die gemeindlichen Beschlüsse gebunden, wonach man sich bislang für die Trasse ausspreche. Im Vordergrund müsse die Entwicklung Wartensbergs stehen: "Wir müssen heute schon an morgen denken und dürfen nicht unvorbereitet in das Vorhaben gehen", so Dahlmann. Der Bürgermeister ging auf den Haushaltsansatz von 80 000 Euro ein, der für ein fachliches Gutachten und eine Visualisierung des Projektes eingestellt worden sei. Damit sollten unter anderem spezielle Fragestellungen erörtert werden, man wolle "das Rad nicht neu erfinden". Nachdem sich Hessen Mobil bereit erklärt habe, eine Visualisierung zu entwickeln, könnten sich die 80 000 Euro minimieren.

 

Eingeladen worden waren auch Gewerbetreibende aus Lauterbach und Wartenberg: Jürgen Hanitsch, einer der beiden Geschäftsführer von Euronics XXL, Rewe-Marktleiterin Katrin May und Jens-Otto Kimpel vom gleichnamigen Fachgeschäft, wandten sich gegen eine neue Umgehungsstraße. Unter anderem funktioniere die bestehende wirtschaftlich gut, zudem würden Kunden dann nicht mehr gezielt kommen, sondern an Lauterbach vorbeifahren. Dies hätte einen Verlust der Kaufkraft zur Folge und somit Auswirkungen auf die gesamte Stadt.

 

Der Angersbacher Dr. Reinhard Fehl trug Argumente des Gewerbevereins Wartenberg vor und warnte davor, dass der Bau einer solchen Trasse den Einzelhandel schwächen und Umsatzeinbußen mit sich bringen werde. Zwischen beiden Wartenberger Ortsteilen liegt das Zentrum mit Einkaufsmöglichkeiten und sei "völlig ausreichend".

Bericht | Bertram Lenz

Hartmut Kind (links) · Dr. Wolfgang Dennhöfer
Hartmut Kind (links) · Dr. Wolfgang Dennhöfer
Jürgen Hanitsch
Jürgen Hanitsch
Katrin May
Katrin May
Jens-Otto Kimpel
Jens-Otto Kimpel

Fotos | Ed Erbeck 



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