Schlitzer Urteil zu Straßenbeiträgen wird mit Spannung erwartet

»  dass die Städte und Gemeinden in Zukunft nicht mehr gezwungen werden können, Anwohner für Straßensanierungen zur Kasse zu bitten


SCHLITZ · Der morgige Tag könnte spannend werden - nicht nur für die Stadt Schlitz, sondern für ganz Hessen. Denn die Burgenstadt klagt in zweiter Instanz vor dem Verwaltungsgerichtshof in Kassel, dass die von der Kommunalaufsicht für die Stadt erhobene Satzung für Straßenbeiträge aufgehoben werden soll. Sollte Schlitz Recht bekommen, könnte dies bedeuten, dass die Städte und Gemeinden in Zukunft nicht mehr gezwungen werden können, Anwohner für Straßensanierungen zur Kasse zu bitten. 

 

Ortsumgehung


PhotoWer soll das bezahlen ? Das fragen sich viele Anwohner maroder Straßen, die saniert werden müssen.

Foto | dpa · Nietfeld


"Wir hatten in Schlitz noch nie Straßenbeiträge für Anwohner", erklärt der Schlitzer Bürgermeister Hans-Jürgen Schäfer. Die Bürger mit zum Teil Summen in fünfstelligem Bereich zu belasten, sollte ihre Straße einmal saniert werden müssen, "halte ich nicht für gerechtfertigt", betont der Stadtchef entschieden. "Wir haben hier in den Dörfern die Entwicklung, dass es sehr oft große, historisch gewachsene Grundstücke gibt, auf denen zwei Leutchen leben. Und die sollen dann mit ihrer vielleicht kargen Rente solche Beiträge leisten ? Das ist unmöglich. Und zu sagen, dass die Anwohner dann eben einen Kredit aufnehmen müssten, halte ich für sehr vermessen."

 

Es war im Jahr 2010, als die Kommunalaufsicht des Kreises die Stadt Schlitz angewiesen hatte, eine Straßenbeitragssatzung zu erlassen. Nachdem das Parlament dieses Ansinnen abgelehnt hatte, wurde mit einer Zwangssatzung gedroht. "Daraufhin erließen die Stadtverordneten eine an der Mustersatzung Hessens orientierte eigene Satzung", blickt Schäfer zurück. "Diese nahm aber die Stadtteile Pfordt und Unter-Schwarz aus, da dort bereits Arbeiten liefen." Diese Version wurde jedoch von der Kommunalaufsicht nicht gebilligt, die daraufhin eine eigene Satzung für Schlitz erließ - "nicht mit unseren Prozentsätzen, sondern mit den Höchstsätzen unter Einbezug aller Ortsteile", ergänzt Schäfer.

 

Im Fall von Pfordt und Unter-Schwarz handele es sich bei Schlitz zudem noch um Sonderfälle, wie der Verwaltungschef verdeutlicht: In Pfordt soll die Ortsdurchfahrt erneuert werden, da gibt es aber einen Vertrag aus Gebietsreformszeiten aus dem Jahr 1972, der Gebühren für Anlieger ausschließt. "Darüber können wir uns nicht hinwegsetzen", so Schäfer. In Unter-Schwarz sei dagegen Wasser, Strom und Kanal erneuert worden, "und danach haben wir die Straße wiederhergestellt", erklärt Schäfer. "Das können wir nicht veranlagen", ist er überzeugt.

 

Es folgte der Gang vor das Verwaltungsgericht Gießen, bei dem die Stadt verlor. Allerdings ließ die 8. Kammer eine Berufung beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel ausdrücklich zu. "Wir werden auf jeden Fall in Berufung gehen, zumal das Gericht angedeutet hat, dass es das begrüßen würde, um eine grundsätzliche Klärung herbeizuführen", erklärte Bürgermeister Hans-Jürgen Schäfer schon damals, im Jahr 2013, im LA.

 

"Uns geht es morgen um zwei Dinge", verdeutlicht Hans-Jürgen Schäfer: "Ist die Kommunalaufsicht befugt, soweit in die Selbstverwaltung der Städte und Gemeinden einzugreifen ? Und wenn ja: Darf dies so weit gehen, dass die auf Druck erlassene Satzung nochmals von der Kommunalaufsicht geändert werden darf?"

 

Landauf, landab mehrten sich die Widerstände gegen die Straßenbeiträge für Anwohner, weiß Schäfer auch aus zahlreichen persönlichen Gesprächen zu berichten. Daher sei ihm bewusst, dass viele das morgige Urteil mit Spannung erwarten würden. Der Bürgermeister hofft natürlich auf eine Entscheidung zu seinen Gunsten und zitiert dazu sogar aus dem LA. Denn der Sprecher des Innenministeriums Michael Schaich hatte in der gestrigen Ausgabe erklärt, dass eine Gemeinde von Straßenbeitragssatzungen absehen könne, "falls in einer Gemeinde keine oder nur geringfügige Altverbindlichkeiten in Form von Kassenkrediten bestünden und auch mittelfristig ausgeglichene Haushalte geplant würden". Und genau das ist nämlich in Schlitz der Fall. "Wir haben dargelegt, dass wir dauerhaft keinen defizitären Haushalt haben werden", betont Schäfer. Daher sei die Stadt auch derzeit in Gesprächen mit dem Finanzministerium, um von der Hessenkasse ins Investitionsprogramm wechseln zu können, "da wir unsere Kredite aus eigener Kraft tilgen können".

 

Der Haushalt der Stadt Schlitz steht also auf gesunden Füßen. Aber welche Möglichkeiten hätten defizitäre Gemeinden ? "Dort könnte über andere Beschaffungsmöglichkeiten für die Finanzen nachgedacht werden. Straßen könnten auch über die Grundsteuer saniert werden, damit die Grundstücksbesitzer nicht ein zweites Mal belastet werden", schlägt Schäfer vor.

 

Am morgigen Freitag um 11 Uhr werden sich die Richter des Verwaltungsgerichtshofes mit dem "Fall Schlitz" beschäftigen.


Bericht | Annika Rausch


Quelle |  Lauterbacher Anzeiger


Kommentar schreiben

Kommentare: 0